Was ist das Wesen von Skulptur? Was unterscheidet skulpturale Arbeiten etwa von Design, Alltagsgegenständen oder Architektur? Ist es überhaupt sinnvoll, in solchen Kategorien zu denken, die die Dinge zwar einordnen, aber den Blick auf sie einschränken? Gibt es so etwas wie eine originäre künstlerische Idee oder ist alles in irgendeiner Form eine Variation oder Reproduktion von etwas bereits Dagewesenem oder Bestehendem? Das sind einige der Fragen, die sich der belgische Künstler Koenraad Dedobbeleer stellt.
Seine Arbeiten spüren das Überraschende im Bekannten auf. Sie entwickeln neue Perspektiven auf das kollektiv Gewusste und fordern damit einen neu zu definierenden Umgang mit ihm ein. Ausgangspunkt sind zumeist Situationen oder Gegenstände, denen Dedobbeleer im Alltag begegnet: architektonische Zusammenhänge oder die Dinge, mit denen wir unser wohnliches Umfeld gestalten. Mittels der Kombinatorik mit eigentümlichen, skulpturalen Trägerdisplays ebenso wie mit einer Lust an Absurdität und Irritation nimmt er Verfremdungen des Bekannten vor und lässt die präsentierten Objekte zwischen verschiedenen Kategorien und Zuständen hin und her schwingen. Seine Arbeiten und Interventionen stellen das Alltägliche (oft buchstäblich) auf den Kopf, bieten dem Unscheinbaren eine überraschende Plattform und verorten sich in einem Geflecht aus Bezügen zu Protagonist*innen, Werken und Anekdoten der Kunstgeschichte. Auch die Rolle seiner Werkstitel spielen hier mit hinein: Sie sind sämtlich Zitate aus Büchern, die Dedobbeleer gelesen, oder Songs, die er gehört hat, verweigern aber eine direkte Bedeutungsebene mit dem durch sie bezeichneten Werk. Dedobbeleer: „Ich mag keine ‚Untitled’-Titel oder Titel, die die Arbeit zu sehr beschreiben.“ Seine Titel besetzen exakt den Raum dazwischen.
Für seine Ausstellung „A Quarrel in a Faraway Country Between People of Whom We Know Nothing“ (dt. ungefähr: Ein Streit in einem fernen Land, zwischen Menschen, von denen wir nichts wissen) entwickelt Dedobbeleer einen variantenreichen Gang durch die Räume der GAK Gesellschaft für Aktuelle Kunst mit skulpturalen Arbeiten, Architekturzitaten, Diaprojektionen und der Präsentation vorgefundenen, bereits bestehenden Materials: Repliken von Designklassikern, Kunstwerke verehrter Kolleg*innen, Bücher und Postkarten führen anekdotenhaft unterschiedliche, für Dedobbeleers Schaffen relevante Aspekte des Skulpturalen zusammen. Im Ergebnis bietet „A Quarrel in a Faraway Country Between People of Whom We Know Nothing“ eine Reise in den vielfältigen Kosmos von Koenraad Dedobbeleer: Zum einen in seine Arbeit als Künstler, zum anderen in die Referenzen, aus denen sich sein Denken speist und die an das kollektive Wissen der Betrachter*innen anknüpfen. Statische Einteilungen werden vermieden, alles kann alles sein: So zitiert eine Tür am Eingang eine Tür der kooperierenden Antwerpener Institution und pendelt im Ausstellungsverlauf zwischen den Zuständen von skulpturaler Setzung, Ausstellungsdisplay oder Raumteiler. Senf- und Ketchupflaschen oder Holzlöffel aus dem politisch korrekten Fastfoodbereich werden Skulptur. Kerzenhalter vernetzen sich mittels Form und dem Zitat einer brennenden Kerze aus der flämischen Tradition der Bildsymbole mit der Kunstgeschichte. Japanische Holzpuppen könnten stellvertretend für eine alte Handwerkstradition stehen – wären sie aus Kostengründen nicht in den Niederlanden hergestellt. Werkkopien aus Museumsshops verknüpfen sich einem Comic von Tim und Struppi oder sind als Wachsabguss in Kerzenform erhältlich. Postkarten dokumentieren fragwürdige Ausstellungsdisplays. Oder Diaprojektionen führen in das Referenzsystem eines anonym bleibenden Künstlers… Diese Liste steht beispielhaft für das lustvolle Spiel des Sehens, Suchens und Entdeckens, das Dedobbeleer in der GAK aufführt.
Dabei unterscheidet „A Quarrel in a Faraway Country Between People of Whom We Know Nothing“ nicht zwischen eigenem Werk und dem anderer, oder zwischen künstlerischer Arbeit, ihrem Träger oder ihrer Dokumentation. Vielmehr präsentieren Ausstellung und Begleitbuch das zusammengesetzte Bild einer „Allegorie über Bildhauerei“, eine gleichermaßen konkrete wie abstrakte, spielerische wie präzise Konversation über die Geschichte und Möglichkeiten des Mediums.
Koenraad Dedobbeeler wurde 1975 in Halle, Belgien, geboren. Seine Arbeit ist in De Vleeshal, Middelburg (2013), Le Crédac, Ivry-Sur-Seine (2013), im Kunstmuseum St. Gallen (2012), Culturgest, Lissabon (2010), im Haus Esters, Krefeld (2009) oder in der Kunsthalle Bern (2008) in Einzelausstellungen präsentiert worden. Dedobbeleer war außerdem an der Biennale in Brno (2014) und in Porto Alegre (2013) beteiligt sowie an Gruppenausstellungen in der Kunsthalle Wien (2014), im Museum für Gegenwartskunst Siegen (2012), Casino Luxemburg (2011), SMAK Ghent (2010), in der Kunsthalle Wiels, Brüssel (2010), und im MuKA Antwerpen (2003). Koenraad Dedobbeleer arbeitet darüber hinaus gelegentlich als Kurator (Galerie Micheline Szwajcer, 2013, oder Muzee Ostende, 2011) und gibt seit 2006 gemeinsam mit Kris Krimpe die Publikation UP – a fanzine focusing on interesting architectures heraus. Er lebt in Brüssel.
Kuratiert von
Janneke de Vries
In Kooperation mit Extra City, Antwerpen
Publikation
Jahresgabe
Veranstaltungen
Fr 31.10.14, 19 Uhr
Eröffnung
Do 06.011.14, 11-15 Uhr
Alltag als Skulptur
Kinderworkshop
Do 20.11.14, 19 Uhr
Führung mit Janneke de Vries
Do 15.01.15, 19 Uhr
Führung mit Svea Kellner
Förderung
Der Senator für Kultur, Freie Hansestadt Bremen, Flämische Gemeinschaft, Hypo-Kulturstiftung