Ein feuchter Keller. Die Wände sind mit Flecken und Verfärbungen überzogen. Sie drängen vom Boden hoch und verdichten sich in den Raumecken zu dunklen und unansehnlichen Akkumulationen. Das einzige kleine Fenster im Raum lenkt den Blick auf die Weser, die unmittelbar an der Außenmauer der GAK entlangfließt und sich mit den Gezeiten hebt und senkt. Die Vermutung liegt nahe, dass aufgrund einer längeren Durchfeuchtung des Mauerwerks Wasser in den Raum eingedrungen sei. Nur zwei Dinge irritieren: An den Wänden finden sich Feuchtigkeitsspuren, doch fehlt der Geruch und das klamme Gefühl von Nässe. Und trotz verschlossenem Fenster ist das Geräusch von Wasser zu hören.
Bradley Davies setzt sich in seiner Arbeit „tidal“ mit dem Projektraum im Untergeschoss der GAK und seiner Nähe zum Wasser sowie dem Element Wasser an sich auseinander. Dabei verwickelt er den*die Betrachter*in in eine Sinnestäuschung. Denn weder ist der Keller feucht, noch besteht unmittelbar Gefahr, dass Wasser eindringt und den Raum flutet. Stattdessen überzieht Davies die Wände in Trompe-l’œil mit feinen Kreide- und Kohlezeichnungen und bildet die typischen Erscheinungsformen eines Wasserschadens nach. Dass er für die Wandmalerei Kreide und Kohle verwendet, hängt auch damit zusammen, dass beide Stoffe Feuchtigkeit absorbieren: Kohle ist ideal zum Trockenhalten feuchter Räume, Kreide bindet Schweiß. Auf diese Weise hält nur der feine Wandüberzug aus Kreide und Kohle die Poren des Raumes geschlossen.
Inmitten der Wandmalereien sind Geräusche von Wasser zu hören, und es offenbart sich die Komplexität und Fremdartigkeit einer sichtbaren und unsichtbaren Welt. Sie zeigen, dass Wasser von Natur aus vielgestaltig und dazu prädisponiert ist, sich materiell zu verändern. Die Tendenz der Formverschiebung mag nicht nur den*die Betrachter*in beunruhigen, sondern auch manche Protokolle, die für die wissenschaftliche Erforschung und geopolitische Organisation des Wassers verwendet werden. Mit Kontaktmikrophon und hochsensiblem Unterwassermikrophon (Hydrophone) nimmt Davies in der Tradition des Field Recording singuläre Klänge auf und fügt sie als Soundcollage wieder zusammen. Die Aufnahmen entstanden in und im Umkreis von Bremen, sowie in Köln und Tanger. „Doing the sound recordings is a way for me to do similar to what the stain, damp or mould would do, to bring the outside inside. Also, I have been mostly recording places I and others perhaps wouldn’t normally get to see, or even using hydrophones and contact microphones to tap into worlds that are partially invisible to us.“, so der Künstler. Mit dem Wissen um jene Orte, die Davies in der Ausstellung und im Onlinearchiv von radio aporee preisgibt, entstehen beim Zuhören des Wassers neue, innere Bilder, die sich mit den sichtbaren Spuren an den Wänden verbinden und vergangene und zukünftige Geschichten erzählen.
Bradley Davies (geboren 1990 in London) studierte bis 2012 an der Glasgow School of Arts (BA) und war 2017 Meisterschüler an der Städelschule in Frankfurt am Main. Ausstellungen u.a. Neue Alte Brücke, Frankfurt, Temporary Gallery, Köln, Neuer Essener Kunstverein, Kunstbau im Lenbachhaus, München. Er lebt und arbeitet in Köln.
Projektraum
GAK-Projekte ist eine Ausstellungsreihe anlässlich des 40-jährigen Bestehens der GAK Gesellschaft für Aktuelle Kunst.
Kuratiert von
Regina Barunke
Sounds
→ Hastedter Osterdeich 230, 28207 Bremen / Wasserkraftwerk
→ Hastedter Osterdeich 224, 28207 Bremen / Hochdruck-Wasserablauf am Wasserkraftwerk
→ Hastedter Osterdeich 230, 28207 Bremen / Metallgehäuse
→ Konsul-Smidt-Straße 90, 28217 Bremen / Echo im Tunnel
→ Konsul-Smidt-Straße 8T, 28217 Bremen / Schlagende Masten
→ Unbenannte Straße, 28777 Bremen / Bunker Valentin, Vögel
→ Unbenannte Straße, 28777 Bremen / Tropfendes Wasser
→ Sürther Leinpfad, 50997 Köln / Motorgeräusch eines vorbeifahrenden Lastkahns
→ Unbenannte Straße, 51063 Köln/ Andocken eines Binnenschiffs
→ Route des Grottes dHercule, Tanger, Marokko / Herkulesgrotte
→ 168-244 Blvd. Mohamed VI, Tanger, Marokko / الشاطئ البلدي Stadtstrand
Jahresgabe
Bradley Davies, Jahresgaben 2019
Förderung
Beate + Hartmut Schaefers Stiftung, Bremen
Besonderer Dank an: Weserburg Museum für moderne Kunst, Bremen, Mona Schieren, das Team vom Denkort Bunker Valentin