Mit A good theory in theory (Eine gute Theorie in der Theorie) begibt sich Belia Zanna Geetha Brückner in das Spannungsfeld zwischen den politischen Funktionen von Esskulturen und dem Strafvollzugssystem: Gemeinsame Mahlzeiten stiften Geselligkeit, sie fördern Zugehörigkeit, Austausch untereinander und nicht selten werden am Essenstisch Konflikte gelöst, Kontakte geknüpft, wichtige Entscheidungen getroffen, aber auch Erinnerungen geteilt. Belia Zanna Geetha Brückner schreibt in einer anhaltenden Recherche Inhaftierten verschiedener Strafvollzugsanstalten in Großbritannien, Deutschland und der Schweiz Briefe und fragt die Gefangenen darin nach ihren Rezepten der Freiheit: Was ist das erste Gericht, dass Sie nach Ihrer Entlassung mit Ihren Lieben kochen und essen möchten? Die Antworten bringt Brückner in A good theory in theory im Außenbereich der GAK zusammen: Rezepte für Käsekuchen, Pasta Brokkoli, Udon Noodle Soup mit Laonganma Sauce, die sie auf ihre eigenen Geschirrtücher collagiert.
Für die Ausstellung in den Posterrahmen im Außenbereich der GAK collagiert Brückner die erhaltenen Rezepte mit gebrauchten Geschirrtüchern und schafft Sichtbarkeit im Öffentlichen für Stimmen, die sonst separiert vom gesellschaftlichen Leben bleiben. Neben den Rezepten füllt Brückner zwei der Posterrahmen mit gestickten Kontexten: Darunter eine Darstellung der Protestaktion zweier Stopp Oil-Aktivist*innen während der Snooker Weltmeisterschaft 2023. Diese Stickerei gibt den Kontext zur Inhaftierung einer ihrer Briefpartner*innen.
In ihrer künstlerischen Praxis erforscht Belia Zanna Geetha Brückner Machtstrukturen in neoliberalen Gegenwartsgesellschaften, sucht nach Ambivalenzen in Demokratieerzählungen und gesellschaftlicher Teilhabe und nutzt dafür Transparenz- und Informationsfreiheitsgesetze, Dokumente aus Archiven sowie Interviews und andere Formen des Austausches mit Beteiligten. Rezepte scheinen in dieser Reihung zunächst eher banal, haben aber durchaus einen demokratischen sowie emanzipatorischen Charakter. Sie vermitteln Wissen und Kultur und sind dabei mitnichten verpflichtend, denn Zutaten können ausgelassen, hinzugefügt oder ersetzt, Mengenangaben halbiert und erweitert werden. Rezepte fordern Beteiligung ein und entfalten erst beim Interpretieren und in der Umsetzung durch eine Köchin ihren vollständigen Sinn.
Was möchten wir später essen? Wir alle kennen diese Frage. Mal stellt sie uns vor Ideenlosigkeit, ein andermal ruft sie Vorfreude und Appetit auf die nächste Mahlzeit hervor. Trotz seiner vermeintlichen alltäglichen Trivialität ist Essen elementar. Inhaftierte in deutschen Strafvollzugsanstalten können auf die Frage jedoch kaum selbstbestimmt antworten. Das Zubereiten und der Zugang zu Lebensmitteln ist während einer Haft stark eingeschränkt und finanziell durch ein Monopol der Firma Massak GmbH enorm belastet. Zudem werden die staatlich servierten Mahlzeiten meist einzeln in der Zelle eingenommen. Dies verstärkt den ohnehin desintegrierenden Charakter der Haft. A good theory in theory ist ein Dialog mit Inhaftierten und über deren Wunsch nach körperlicher Selbstbestimmung und zugleich eine Einladung an Vorbeigehende, sich – angefangen bei den Rezepten – über die Theorien und der Praxis auszutauschen. Und sie – natürlich – nachzukochen.
Belia Zanna Geetha Brückner (*Mönchengladbach) studierte zeitbezogene Medien an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg und am Goldsmiths, University of London. Ihre recherchebasierten Arbeiten wurden unter anderem mit dem Karl H. Ditze-Preis und mit dem Max Ernst-Stipendium ausgezeichnet und in Einzel- sowie Gruppenausstellungen im Kunstverein Dortmund (2024), im Künstlerhaus Bethanien Berlin (2024), im Kunstverein Gastgarten Hamburg (2024), im City Surfer Prag (2023), der Goldsmiths University London (2023) und dem EIGEN+ART Lab Berlin (2022) gezeigt. Von 2023 bis 2024 war sie Trägerin des Stipendiums der Hamburger Kulturstiftung zur Förderung des künstlerischen Nachwuchses.
A good theory in theory ist Teil der Ausstellungsreihe „Re-Framing“ in den Posterrahmen im Außenbereich der GAK. In mehreren aufeinander folgenden Einzelpräsentationen nehmen die eingeladenen Künstler*innen Sprache zum Ausgangspunkt, um in das spannungsreiche Verhältnis zwischen Wort und Bild zu intervenieren. Sie unterbrechen gewohnte Sehweisen, reflektieren (Un-)Sichtbarkeiten oder schaffen Intimität im Öffentlichen.
Im Rahen von „Re-Framing“ in den Posterrahmen im Außenraum der GAK
Kuratiert von Maxie Kiwitter
Veranstaltungen
Do, 26.09., 19 h
Eröffnung mit Käsekuchen
Do, 28.11., 19 h
Belia Zanna Geetha Brückner
Tischgespräch
> Begrenzte Teilnehmer*innenzahl. Anmeldung unter office@gak-bremen.de
Gefördert von:
Der Senator für Kultur der Freien Hansestadt Bremen, Beate + Hartmut Schaefers Stiftung, Gemeinsam – Stiftung der Sparkasse Bremen