Banu Çiçek Tülü setzt Klang als Medium und Methode ein, um auf Dinge aufmerksam zu machen, die sich unseren Ohren häufig entziehen. In Aural Flesh greift sie das Verhältnis von Erinnerung und Klang sowie die Rolle des Hörens im Zusammenhang von Orientierung auf. Was nehmen wir wahr, wenn wir mit dem ganzen Körper zuhören? Inwieweit wird ein Körper durch eine medizinische Operation zu einem nicht-menschlichen Objekt? Auf welche Weise beziehen sich Innen und Außen in unterschiedlichen Rhythmen und durch Klang aufeinander?
Für Aural Flesh entstehen neue Arbeiten, die sich auf den migrantischen Körper konzentrieren und den Ausstellungsraum in ein hörendes Körperinneres verwandeln: Textilarbeiten, digital modifizierte Videoaufnahmen, Adern aus Stoff und eine skulpturale Soundinstallation durchziehen den Raum als ein organisch-technisches Hybrid. Die Tonspuren von Banu Çiçek Tülüs Klangskulpturen erzählen fiktionale und persönliche Geschichten über Veränderungen an und in Körpern, von Zuschreibungen, Verwundungen, Erinnerungen und Narben. Die organischen Klänge wie Stimme, Atem und Körper-Percussion einer oszillierenden, fluiden Klanglandschaft sind beeinflusst von den Erfahrungen des OP-Raums. Sie entstehen mittels analoger Klangsynthese und nehmen Bezug auf die Tanbur, eine mesopotamische Langhalslaute, deren besondere Rolle in der traditionellen Medizin auf ihrer Nähe zur menschlichen Stimme beruht, ebenso wie auf die organisch-elektrischen Energien und Verbindungen in unseren (Cyborg-) Körpern.
Körper sind eingebettet in gesellschaftspolitische Bedingungen, Sichtweisen und Normen, die den Blick auf andere Zusammenhänge verdecken. Sie sind komplexe Gebilde, die auf vielfältige Weise durch Technologien ebenso wie durch Politiken und Emotionen verändert werden. Körper empfinden Schmerz. Wie diesem Schmerz eine Stimme gegeben werden kann, worauf wir hören, was eine Stimme ist und wo die Stimme ist, wenn sie nicht spricht – dies sind Fragen, denen Banu Çiçek Tülü in Aural Flesh nachgeht.
(Banu Çiçek Tülü (*1984, Adana/Türkei, lebt in Berlin) ist Künstlerin, Musikproduzentin, DJ und Researcher mit einem Hintergrund in Urban Design, Ökologie, Feminismus und Queer-Theorie, die künstlerische, kulturelle und politische Vorstellungskraft als Werkzeuge für sozialen Wandel einsetzen. Sie ist Dozentin im Studiengang Sound Studies an der UdK Berlin und Gastdozentin im Fachbereich Musik am College of The Arts in Windhoek, Namibia. Çiçek Tülü glaubt an die politischen Möglichkeiten von Sound und Musik und nutzt beides als Mittel zur Stärkung verschiedener Gemeinschaften und Minderheitengruppen.
Ausstellungen (Auswahl): Temple of Intersectionality, Akademie Schloss Solitude (2023), Stuttgart; Pink Noise, Galerie im Turm, Berlin (2023); Aural Rupture, Kunstraum Kreuzberg/Bethanien, Berlin (2021); The female sonic cartography and the safe space, galerie futura, Berlin (2020). Stipendien und Residencies (Auswahl): Culture Moves Europe of the Goethe Institute (2023); Namibia Initiative of the Akademie Schloss Solitude (2022); Ankara Queer Art Residency (2021) by Kaos GL (Ankara/Turkey) supported by SAHA Association (Istanbul/Turkey); Sound of Our Cities Roeselare/Belgium, organized by Idensitat/Spain with the Creative Europe Program (2020); IdeasCity New Orleans/USA, an initiative of The New Museum, New York/USA (2019).
Veranstaltungen
Fr, 30.08., 19 h
Eröffnung
Fr, 27.09., 18 h (FLINTA* only), 19 h (open for all)
Asya Özer
Healing the wound
Tanbur Konzert
Sa, 12.10., 19 h
Aslı Polatdemir & Corinne Lembe Mayunga
Body and Pain
Gespräch
Sa, 26.10., 09–17 h
Banu Çiçek Tülü
Awaz
durchgängige akustische Aktivierung
Sa, 02.11., 19 h
Cana Bilir-Meier
Filmscreening & Künstlerinnengespräch, anlässlich der Buchvorstellung von Entangled Histories of Art and Migration, hg. von Cathrine Bublatzky, Burcu Dogramaci, Kerstin Pinther & Mona Schieren
Do, 14.11., 19 h
Kuratorinnenführung mit Annette Hans
So, 05.01., 16 h
Führung mit Jana Knauer
Förderung
Waldemar Koch Stiftung, SAHA Foundation, Der Senator für Kultur der Freien Hansestadt Bremen, Musikfonds – Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien