Niemand wird ernstlich behaupten, dass sich die dringenden Themen des Feminismus heute durch gelebte gesellschaftliche Gleichberechtigung erledigt hätten. Es mag aber sein, dass sich die Schwerpunkte seiner Fragestellungen verlagert haben. Was in der feministischen Revolution der 1970er und ihrer Punk-Fortsetzung der 1980er Jahre noch schwer erkämpft war, ist heute wenigstens zum Teil gesellschaftliche Realität und hat eine Fokussierung auf andere Bereiche zur Folge. Dementsprechend hat sich der Umgang mit den Vorläuferinnen und ihren Lehren durchaus verschoben – die Notwendigkeit eines stetigen Beharrens auf dem feministischen Standpunkt ist für die Generation der nach 1970 Geborenen eher einem selbstverständlichen Bewusstsein und allgegenwärtigen Damit-Leben gewichen. Die Kunsttheoretikerin Monika Szewczyk spricht von einer „gründlichen Annahme jener Lehre, die uns deren Fortführung erlaubt, ohne unserem Tun einen Namen zu geben – das Schmieden der Waffen wird unterbrochen, um diese Waffen einzusetzen.“(1)
Dies bedeutet, wie gesagt, keinesfalls, dass heute keine gesellschaftliche Notwendigkeit feministischer Haltungen mehr existierte. Aber es lässt sich konstatieren, dass sich der Tonfall ihrer Äußerungen verändert hat. Dass dieser vielleicht – wagt man es zu sagen – leichter geworden ist, ohne dabei an Präzision einzubüßen. Dass sich ein Tonfall etabliert hat, der souverän genug ist, gelegentliche Zweifel an den feministischen Lehren zuzulassen, ohne gleich den Geruch des Verrats an der grundsätzlichen Idee anzunehmen. Auch sind wir inzwischen an einem Punkt angelangt, an dem die Gleichberechtigung nicht mehr nur Sache der Frauen allein ist, sondern an dem sich auch Männer zunehmend selbstverständlich mit emanzipatorischen Fragestellungen auseinandersetzen.
Die Gruppenausstellung „Girls can tell“ (2) stellt Arbeiten einer Generation von nach 1970 geborenen Künstler*innen zusammen, die exemplarisch für einen veränderten Umgang mit feministischen Themensetzungen in der zeitgenössischen Kunst stehen. Feministische Fragestellungen bilden hier oft einen eher begleitenden Unterton, äußern sich gegebenenfalls unterschwellig in der Verwendung von Materialien und Techniken und nutzen eine Eleganz der Formen und Leichtigkeit der Ästhetik, „um diese Waffen einzusetzen“. Aus ganz unterschiedlichen Perspektiven formen die Werke in „Girls can tell“ einen selbstbewussten Parcours mittels der Medien Malerei, Fotografie, Zeichnung, Installation, Readymade, Film und Skulptur.
(1) Monika Szewczyk, „Ein Flirt mit dem Feminismus“, in: Ausst.-Kat. Shannon Bool. Inverted Harem, CRAC Alsace, GAK Gesellschaft für Aktuelle Kunst Bremen und Kunstverein Bonn, 2011, S. 38
(2) Der Titel der Ausstellung zitiert ein Album der amerikanischen Rockband Spoon von 2001.
Dirk Bell
Juliette Blightman
Shannon Bool
Kajsa Dahlberg
Nina Hoffmann
Verena Issel
Maria Loboda
Anna Ostoya
Marlo Pascual
Seb Patane
Jeremy Shaw
Dirk Stewen
Susanne M. Winterling
Kuratiert von
Janneke de Vries
Publikation
Girls can tell (Ausst. Kat., Hrsg. J. de Vries, GAK, 2014)
Jahresgaben
Juliette Blightman: A bird in hand, is worth two in the bush, 2016
Verena Issel: These Kids are not ok / Design löst Probleme, 2014
Veranstaltungen
Fr 27.09.13, 19 Uhr
Eröffnung
Do 17.10.13, 19 Uhr
Führung mit Janneke de Vries
Do 21.11.13, 19 Uhr
Annika Larsson und Yvonne Bialek
Filmscreening und Gespräch (en)
Do 28.11.13, 19 Uhr
Monika Szewczyk: Flirting with Feminism
Vortrag (en)
Do 12.12.13, 19 Uhr
Führung mit Janneke de Vries
Förderung
Der Senator für Kultur, Freie Hansestadt Bremen, Karin und Uwe Hollweg Stiftung, Waldemar Koch Stiftung