Einschränkungen, Fehler, Krise, enttäuschte Erwartungen oder gar Scheitern – all diese Begriffe laufen unserer auf Erfolg und Produktivität ausgerichteten Zeit zuwider und sind in unseren gesellschaftlichen Zusammenhängen eindeutig negativ belastet. Zielsetzungen, ob von uns selbst oder von anderen an uns gestellt, müssen erfüllt werden. Nichterfüllung hat schnell den Beigeschmack des Versagens. Abhilfe scheint da nur durch vollständigen Entzug oder Zynismus (1) erreicht werden zu können. Doch was, wenn gerade das Wissen um Restriktionen, Fehlerhaftigkeit oder ein vorprogrammiertes Scheitern zum produktiven Antrieb wird? Im Bereich der kulturellen Produktion ist dieses Phänomen immer wieder zu beobachten – strebt man doch dort von jeher an, gestellte und damit einschränkende Erwartungen zu unterlaufen. So beschreibt schon Balzacs Kurzgeschichte Das unbekannte Meisterwerk das zehnjährige, letztendlich aussichtslose Ringen des Malers Frenhofer um das ideale Frauenbildnis. Doch was, wenn die Kunst einen Schritt weitergeht und in vollem Bewusstsein der Unmöglichkeit eines Unterfangens sisyphosartig immer wieder genau den Weg geht, der zu einem Ergebnis führt, das man langläufig als gescheitert ansehen würde? Was, wenn die Fehler und Limitierungen eines Mediums, eines Materials oder einer Thematik nicht nur in Kauf genommen, sondern bewusst in den Schaffensprozess einbezogen und somit positiv genutzt werden?
Die Gruppenausstellung „An einem schönen Morgen des Monats Mai…“ führt internationale Künstlerpositionen zusammen, für die Fehler und Scheitern zum konstituierenden Antrieb ihrer kulturellen Produktion werden. Titelgebend ist dabei die Figur des Joseph Grand aus Camus’ Die Pest, ein kleiner Stadtangestellter, der von der fixen Idee getrieben ist, den perfekten Roman schreiben zu wollen, aber schon am Verfassen des ersten Satzes scheitert (einer der zahlreichen Versuche lautet „An einem schönen Morgen des Monats Mai durchritt eine elegante Amazone auf einer wunderbaren Fuchsstute die blühenden Alleen des Bois de Boulogne.“).
Im Ausstellungszusammenhang fungieren drei Arbeiten aus der Konzeptkunst der 1970er Jahres von Bas Jan Adler, John Baldessari und André Cadere als historische Referenz und markieren eine künstlerische Geisteshaltung, die Scheitern und Fehlerhaftigkeit in ihrer langläufigen Definition nachhaltig umdeutet. Das Hauptaugenmerk der Präsentation liegt jedoch auf der Generation der seit den 1970er Jahren geborenen Künstler*innen, die die Gedanken der Vorgänger mittels Installation, Malerei, Fotografie, Film, Objekt und Performance in die heutige Zeit weiter führen und zu ganz eigenen Vorgehensweisen gelangen. So fokussieren die einen gescheiterte Utopien (Carol Bove, Liudvikas Buklys und Cyprien Gaillard), während die anderen herkömmliche Erwartungshaltungen unterlaufen (Juliette Blightman und David Sherry), sich von als restriktiv empfundenen Ordnungssystemen lösen (Fiete Stolte), Fehlerhaftigkeit als gestaltendes Element mit einbeziehen (Walead Beshty, Wade Guyton und Gareth Moore), der Schönheit im Scheitern nachspüren (Guido van de Werve) oder einen aussichtslosen Kampf gegen die Elemente aufnehmen und Missverständnisse der Evolution offenlegen (Sebastian Gräfe). Die Ausstellung bringt dabei bereits existierende und aus diesem Anlass neu entstandene Arbeiten zusammen.
(1) Etwa in Christoph Schlingensiefs Projekt Chance 2000 oder durch Zusammenschluss in Gruppen wie Glückliche Arbeitslose oder Polnische Versager.
Bas Jan Ader
John Baldessari
Walead Beshty
Juliette Blightman
Carol Bove
Liudvikas Buklys
André Cadere
Cyprien Gaillard
Sebastian Gräfe
Wade Guyton
Gareth Moore
David Sherry
Fiete Stolte
Guido van der Werve
Eine Ausstellung anlässlich des 30-jährigen Bestehens der GAK Gesellschaft für Aktuelle Kunst Bremen
Kuratiert von
Imke Itzen und Janneke de Vries
Jahresgaben
Juliette Blightman: A bird in hand, is worth two in the bush, 2016
David Sherry, Jahresgaben 2012
Veranstaltungen
Sa 29.05.10, 18 Uhr
Eröffnung
Do 03.06.10, 19 Uhr
Führung mit Janneke de Vries
Do 10.06.10, 19 Uhr
Fischli/Weiss
Filmabend
Do 17.06.10, 19 Uhr
Olof Olsson: disco: the music, the places, the people
Performance
Do 01.07.10, 19 Uhr
Johan Holten: Modell Kunstverein im 21. Jahrhundert
Vortrag
Do 08.07.10, 19 Uhr
Führung mit Imke Itzen
Do 22.07.10, 19 Uhr
Dr. Nadine Schöneck-Voß: Zwischen Arbeit und Leben. Eine Zeit-Diagnose
Vortrag
Do 29.07.10, 19 Uhr
Sebastian Gräfe: Weather is a globalist
Künstlergespräch
Do 05.08.10, 19 Uhr
Führung mit Carla Habel
Förderung
Der Senator für Kultur, Freie Hansestadt Bremen