Im Bremer Hauptbahnhof befindet sich ein rassistisches Mosaik-Wandbild, das in den 1950er Jahren von Tabak Brinkmann, einer lokalen Tabak- und Zigarettenfirma, gestiftet wurde. Über einen längeren Zeitraum war es von (anderer) Werbung verdeckt. Bei der Restaurierung des Gebäudes wurde es wiederentdeckt – und auch restauriert. Seit 2001 bleibt es sichtbar und weitgehend unbehelligt und drängt sich täglich Tausenden von Bürger*innen auf.
Seit etwa einem Jahr befasst sich Aria Farajnezhad mit der Politik der Über-/Nicht- und Unterrepräsentation in Konstruktionen des öffentlichen Raums. Er hat zu gemeinschaftlichen Situationen eingeladen, die das rassistische Mosaik-Wandbild im Bremer Hauptbahnhof infrage stellen und ein Überschreiben durch neue Bilder ermöglichen, welche nicht-hierarchische, die ganze Welt meinende Ansichten über den Begriff der Menschlichkeit teilen.
A Rehearsal To Scuttle A Monument ist der nächste Versuch, diese Bemühungen fortzusetzen. In zwei ersten Workshops, die Farajnezhad im Mai 2023 abhielt, beschäftigten sich die Teilnehmer*Innen gemeinsam mit dem Überschreiben/Zeichnen/Falten/Umgestalten des Schiffes, das im Mosaik prominent vertreten ist. Auf diese Weise wurde in das Bild eingegriffen, um den Kontext sichtbar zu machen, der sonst ausgelöscht wird und sich der Amnesie und mehr noch der Fortschreibung der kolonialen Rollenzuweisung (minderwertig/überlegen) zu widersetzen, von der Bremen durch den Tabak-, Baumwoll- und Kaffeehandel profitiert hat und die bis heute ihren Nachhall findet (> mehr zum Projekt). Anschließend begann Farajnezhad in Zusammenarbeit mit Eghbal Joudi diese erste Intervention auf Papier in Keramik zu übertragen, dem ursprünglichen Material des Wandbildes.
Im Rahmen von A Rehearsal To Scuttle A Monument wollen wir nun diese rekonfigurierten Mosaike gemeinsam zum Hauptbahnhof bringen, Gespräche darüber führen, wie man der monohumanistischen* Sichtweise, die in den Bildern des öffentlichen Raums eingebettet ist, entgegenwirken kann, und sie dem Wandbild im Hauptbahnhof gegenüberstellen.
Der Workshop bietet den Raum, Snacks und Aufnahmegeräte, um sich zu treffen, kennenzulernen und gemeinsam zum Hauptbahnhof zu gehen, während wir die Keramiken tragen. In Zweiergruppen wollen wir die Textfragmente auf den Keramiken zum Anlass nehmen, um zu diskutieren. Die Teilnehmer*innen werden gebeten, ihre Gespräche aufzuzeichnen, die später online verfügbar gemacht werden (in gekürzter Form und nur mit ihrer vorherigen Zustimmung), um Teil eines allmählich entstehenden mündlichen Archivs dieser Gespräche zu werden.
Die Teilnehmer*innenzahl ist auf 18 Personen begrenzt, daher bitten wir Sie, uns Ihr Interesse per E-Mail an office@gak-bremen.de mitzuteilen.
* monohumanistisch beschreibt ein eurozentristisch, christlich und entwicklungsbiologisch begründetes Verständnis von Menschsein, dass die Grundlage legt für das Denken weißer Vorherrschaft und Kolonialismus rechtfertigt (vgl. Sylvia Wynter)
Aria Farajnezhad (*1989) ist ein multidisziplinärer Künstler und Organisator mit einem Hintergrund in Technik und einer langjährigen Beschäftigung mit Rhythmus und Percussion. Er ist ein Klang- und Bildforscher, dessen Arbeit verschiedene Medien umfasst und zu spekulativer Forensik tendiert. Farajnezhad war 2023 Stipendiat der WHW Akademija (Zagreb/Kroatien), und zwischen 2020-2022 Mitbetreiber des Projektraums Circa106 und 2020 Mitinitiator der Plattform Future Archives als Teil des Zefak-Kollektivs. Er studierte Bildende Kunst an der Hochschule für Künste Bremen und schloss 2022 als Meisterschüler ab.
Anfangs- und Endpunkt: GAK
Workshopdauer: Ca. 3-4 Std.
> ausgebucht, Anmeldung für Wartelistenplatz via office(at)gak-bremen.de